Die TCDS Reise nach Karelien zum Artic Circle Dive Center

«Habt ihr Lust im Weissen Meer zu tauchen»?.
Rotes Meer – ja. Aber wo – bitte – liegt das Weisse Meer?

Unser Clubkollege aus Russland bringt uns nach und nach die Region Karelien zwischen Finnland und dem Weissen Meer näher; eine Landschaft der Seen und Wälder. Das Weisse Meer ist ein Nebenmeer der Barentssee im Norden des europäischen Teils Russlands. Die Neugier wächst. Schliesslich steht diese Region als Tauchdestination nicht in jeder bunten Reisebroschüre. Unser Ziel ist das Arctic Circle Dive Center, 33° Ost und 66° Nord in unmittelbarer Nähe des Polarkreises. Juli und August ist für Touristen die günstigste Reisezeit.

Elf unternehmungslustige Mitglieder des Tauch-Club Delphin Schaffhausen checken Mitte Juli in Zürich ein. Nur, es ist keine gewöhnliche Gepäckaufgabe: 30 kg Spezial- und pro Person 23 kg Normalgepäck plus Handgepäck lassen unser Reisegepäck zu Bergen anwachsen.
Nach 2,5 Flugstunden landen wir in St. Petersburg. Der vorher gecharterte Bus kutschiert uns – leider im Regen – zu einigen Sehenswürdigkeiten der kultivierten, weiträumigen und sehr sauberen 4,8 Millionen Stadt. In den wenigen uns zur Verfügung stehenden Stunden besichtigen wir so viel wie möglich. Die Auferstehungskirche, der Komplex der Ermitage, der Kreuzer Aurora sowie der Peter und Paul Palast stehen auf dem Programm.

Der Zug mit Schlafwagen nach Chupa sollte eigentlich um 23 Uhr unsere inzwischen müden Häupter aufnehmen. Doch es kommt anders. Durch ein Missverständnis fährt «unser» Zug von einem anderen Bahnhof ab – leider am anderen Ende der Stadt. So ist es uns unmöglich, den Zug noch rechtzeitig zu erreichen. Jetzt sitzen, stehen, liegen und schlafen wir die ganze Nacht auf dem Boden des Bahnhofs in St. Petersburg, umringt von Gepäckbergen, auf die wir auch noch aufzupassen haben. Dank stundenlangem nächtlichen Einsatz vom Organisator, welcher sich tapfer und geduldig mit den russischen Ticketverkäufern die Nacht um die Ohren schlägt, geht die Reise jedoch schon am nächsten Morgen weiter. Morgens 6 Uhr beginnt der Run zur U-Bahn, mitten in der Rushhour. Unzählige Menschen zwängen sich die Rolltreppen hinunter in den 90 m tiefen Underground der U-Bahn. Treppen hoch und runter und das alles mit unserer Unmenge von Gepäck. Nach einer Stunde erreichen wir endlich den Bahnhof und den Zug in Richtung Murmansk.

Die 20-stündige Reise in den Norden Russlands führt durch Wälder, endlose Wälder, vorbei an kleinen Dörfern und einer imposanten Seenlandschaft. Dimensionen, die in unserem Lebensraum unvorstellbar sind. Der Service im Zug ist perfekt: jederzeit ist Tee verfügbar, auch warme Mahlzeiten werden serviert. Unterwegs hält der Zug einmal etwas länger, wir können aussteigen und Bäuerinnen bieten frisch gepflückte Heidelbeeren, geräucherte Fische und andere lokale Spezialitäten an. Unser Zielbahnhof in Chupa besteht aus nur zwei Gleisen und einem Perron, sonst nichts. Der Bus vom Arctic Circle Dive Center wartet bereits auf uns. 2 Stunden Schotterpiste, durch wassergefüllte Schlaglöcher und über schmale Holzbrücken in den schier endlosen Wäldern der Taiga sind der letzte Abschnitt unserer Reise.

Am Ziel angekommen, sind wir vom Dive Center komplett überrascht. Es wartet ein perfekt eingerichtetes Blockhaus auf uns, welches mit jedem Hotelzimmer Schritt halten kann. Das Essen ist wirklich der Clou! Wer will, kann sich rund um die Uhr verköstigen. Säfte, Tee und Kaffe stehen zur freien Verfügung. Zweimal täglich gibt’s ein warmes Buffet und wer zwischendurch noch Hunger hat, kann sich mit jeder Menge Gebäck, Obst und Trockenfrüchte verpflegen. Verhungern wird hier niemand.

Die Tauchbasis befindet sich direkt am Meer. Acht einfache, heizbare, auf Gummikufen montierte Holzhäuser dienen als Umkleidekabinen und Materialdepots; im Winter werden diese direkt ans Einstiegsloch aufs Eis gezogen. Für uns Taucher ist alles sehr grosszügig, haben wir doch jede Menge Platz zur Verfügung. Unsere beiden Guides Anton und Konstantin machen ihren Job sehr gut und professionell. Der ganze Tauchbetrieb ist einfach topp organisiert. Gesprochen wird englisch. Wir sind alle sehr positiv überrascht.

Die Tauchplätze liegen bei Untiefen, in der Nähe kleinerer Inseln oder nahe felsiger Buchten. Zugegeben, mit einem tropischen Meer ist das Weisse Meer nicht zu vergleichen. Doch Felder blühender Anemonen, winzig kleine Garnelen, Seesterne aller Art und vieles mehr begeistern das Herz eines jeden Makro-Liebhabers. Sogar Seewölfe dürfen wir mit mitgebrachten Muscheln füttern. Ebenso kreuzen Drachenköpfe unseren Weg. Ein Wrack bietet jede Menge zu entdecken, lediglich die +0.5 °C Wassertemperatur lassen uns den Tauchgang nach rund 50 Min. abbrechen. Selbst ein Strömungstauchgang hat seinen besonderen Reiz. Im «Affentempo» huscht Fauna und Flora an uns vorbei, bis wir nach einer halben Stunde doch ans Auftauchen denken. Die Sichtweiten sind unterschiedlich. Bis 15 m ca. 3 – 5 m, ab 20 m wird die Sicht zwar besser, aber das Wasser kalt, sehr kalt 4 °C bis 0 °C zeigt der Computer an. An der Oberfläche hingegen laden 13 °C Mutige zum Baden ein.

Nach dem Tauchen in polarer Kälte ist die Banja (Russische Sauna-Version) unser bevorzugter Platz zum Aufwärmen und Relaxen. Es ist schon ein besonderes Erlebnis um Mitternacht im Bottich zu sitzen, mit Blick übers spiegelglatte Meer. Die Sonne gibt sich alle Mühe unter zu gehen. Nur, es gelingt ihr nicht. Am Polarkreis wird es um diese Jahreszeit nie ganz dunkel. Nicht nur Tauchen ist am Polarkreis angesagt. Selbst ein Angelausflug steht auf dem Programm. Doch zunächst müssen Würmer am Strand herausgegraben werden, um sie den Fischen anzubieten. (Nicht gerade jedermanns Sache). Der Fang wird anschliessend über dem Feuer in einem Kessel zu Fischsuppe verarbeitet – geschmeckt hat es allen.

Ein weiterer Ausflug gilt einem 100 Seelen-Dorf mit dem Namen «Black River Village». Weder Strasse noch Bahn führen zu diesem Ort. Als die Einwohner über eine Verbindung zur Aussenwelt abstimmen durften, lehnten diese das Angebot der Regierung jedoch einstimmig ab.

Eine weitere Attraktion ist der Besuch einer Biologischen Forschungsstation, welche u. a. eine Bibliothek besitzt, von der manches Museum hellauf begeistert wäre.

Ja, die 11 Tage auf der Basis sind leider schnell vorbei und bald heisst es Abschied nehmen.

Fazit
Es waren sehr beeindruckende und wirklich erlebnisreiche Ferien, an die wir noch lange denken werden. Die Gastfreundschaft und die professionelle Betreuung beeindruckten uns sehr. Wettermässig haben wir wohl die beste Woche des Jahres erwischt. Die Sonne schien sozusagen rund um die Uhr und die Temperaturen lagen zwischen 15° und 25° C, mit leichtem Wind. Die Landschaft Kareliens ist einmalig schön. Diese Reise ist jedem zu empfehlen, der das Besondere sucht. Weitere Informationen unter: www.ice-diving.ru

Text
Sigrid Farner
Bilder

Thomas Mayer